L.A. Noire - Review (PS3)

Willkommen in der Stadt der Engel !

Knapp ein Jahr nach dem Release von "Red Dead Redemption" unternimmt Rockstar Games erneut den Versuch, ein Spieleuniversum abseits der populären GTA-Serie zu etablieren. Spielte "Red Dead Redemption" noch in einem Western-Szenario, so nimmt sie L.A. Noire mit auf eine Zeitreise ins Los Angeles der späten 40er-Jahre. Nach mehr als fünfjähriger Entwicklungszeit steht das Erstlingswerk von Team Bondi nun endlich in den Regalen der Händler. Wir klären in unserem ausführlichen Test, ob sich das lange Warten gelohnt hat.

 

Das Spielprinzip:

L.A. Noire präsentiert sich als innovative Mischung aus klassischem Action-Adventure und interaktivem "Film noir". Obwohl L.A. Noire über eine offene Spielwelt verfügt, steht diese nicht im Mittelpunkt des Spielerlebnisses. Anders als von Rockstar Games gewohnt, bietet L.A. Noire nur wenige optionale Nebenbeschäftigungen abseits der Haupthandlung. Vielmehr legt das Action-Adventure den Fokus auf die investigative Polizeiarbeit und die schrittweise Entwicklung der Hintergrundstory. Die 21 Storyfälle folgen dabei einem gemeinsamen Grundmuster. Am Anfang eines Falles steht ein kurzes Briefing auf dem Revier, welches zugleich einen Leitfaden für den Ermittlungsansatz bildet. An diese Besprechung schließt sich dann die Fahrt zum Tatort an. Dabei zeigt eine Markierung auf der Minimap die genaue Position des Verbrechens an. Die Minimap erweist sich dabei schnell als unerlässliches Hilfsmittel zur Orientierung im virtuellen Los Angeles. Am Tatort angekommen gilt es zunächst, sich einen Weg durch neugierige Passanten und aufdringliche Pressevertreter zu bahnen. Vor Ort erfolgt dann im Regelfall eine kurze Einweisung seitens des Gerichtsmediziners. Es folgt die Suche nach Hinweisen und Indizien am Tatort. Dabei versteht es sich von selbst, dass der Held zunächst einen genaueren Blick auf das Opfer des Verbrechens wirft. Die Auswertung der gefundenen Indizien und die Vernehmung eventueller Zeugen führen dann zu weiteren Ermittlungsansätzen. Im Regelfall gilt es nun Angehörige des Opfers und mögliche Verdächtige an mit dem Verbrechen in Zusammenhang stehenden Orten zu vernehmen. Die gesammelten Informationen führen schließlich zur Festnahme eines Tatverdächtigen. Das abschließende Verhör auf dem Revier erfordert nun eine psychologische Einschätzung der Aussagen und des Verhaltens des Delinquenten. Im Idealfall reichen die gesammelten Beweise aus, um den Verdächtigen zu überführen. Am Ende eines Falles beurteilt L.A. Noire die Qualität ihrer Arbeit anhand einer Abschlussbewertung. Wenn sie alle Hinweise gefunden und alle Zeugenaussagen richtig eingeschätzt haben, werden sie mit dem Maximum von fünf Sternen belohnt. Spielerische Relevanz weist die Abschlussbewertung jedoch nicht auf. So wirkt sie sich insbesondere nicht auf ihren Karrierefortschritt aus. Dennoch motiviert die Bewertung zum erneuten Durchspielen bereits absolvierter Fälle. Diese sind vom Hauptmenü aus jederzeit einzeln anwählbar. Zusätzlich zu den 21 Storyfällen gilt es in L.A. Noire noch 40 sog. "Strassenverbrechen" aufzuklären. Diese optionalen Nebenmissionen lassen dabei vermehrt Actionelemente in L.A. Noire einfließen. Auf der Fahrt zum Tatort oder einer Zeugenbefragung erreichen den Helden und seinen Partner immer wieder Funksprüche aus der Zentrale. Typischerweise erfolgt der Notruf dabei aufgrund einer Schießerei, Geiselnahme oder eines anderen Gewaltverbrechens. Nun gilt es unter Zeitdruck zum Schauplatz des Verbrechens zu rasen, um dort den Täter dingfest zu machen. Es versteht sich von selbst, dass dazu fast immer der Einsatz von physischer Gewalt oder sogar der Dienstwaffe notwendig ist. Die 40 Nebenmissionen sind durchweg solide inszeniert und sorgen für Abwechslung im ansonsten gemächlichen Ermittlungsalltag.  

Die Hintergrundgeschichte:

Cole Phelps in der Stadt der EngelDer besondere Fokus der australischen Entwickler von Team Bondi lag auf der Storyline von L.A. Noire. So umfasst das Drehbuch zu Rockstar Games neuestem Werk angeblich über 2000 Seiten. Dabei hat sich der Autor Brendan McNamara an den bereits durch James Ellroy literarisch verarbeiteten "Black Dhalia"-Morden orientiert. Diese Mordserie an Frauen beruht auf wahren Ereignissen im Los Angeles der ersten Nachkriegsjahre. Zudem hat auch die Vielzahl der übrigen Storyfälle einen realen Hintergrund. L.A. Noire arbeitet somit gleichsam die Kriminalgeschichte des Los Angeles der 40er-Jahre auf. In der Rolle des Protagonisten Cole Phelps ist es nun ihre Aufgabe, diesen schrecklichen Ereignissen auf den Grund zu gehen. Die Hauptfigur ist als hochdekorierter Held aus dem Pazifikkrieg zurückgekehrt. Neben dem "Silver Star" bringt Cole Phelps dabei auch eine unbändige Motivation mit, seinem Land auch in Friedenszeiten zu dienen. Diese patriotische Gesinnung ist dann auch der Grund für seinen Eintritt in den Polizeidienst. Entsprechend idealistisch ist auch die Grundeinstellung des Helden. Im Verlaufe der Handlung wird Cole Phelps jedoch mit der bitteren Realität im Moloch Los Angeles konfrontiert. So strahlt die "Stadt der Engel" nach außen hin Glanz und Reichtum aus. Auf der anderen Seite der Medaille tun sich jedoch bodenlose Abgründe auf. Insbesondere macht die allgegenwärtige Korruption nicht einmal vor den Toren des "Los Angeles Police Department" (LAPD) halt. Ganz in der Tradition des "Film noir" lauert der Feind somit auch in den eigenen Reihen. Trotz aller Widrigkeiten verfolgt der Protagonist seine Karriere jedoch äußerst zielstrebig. So führt ihn seine Tätigkeit vom simplen Streifendienst über das Verkehrs- und Morddezernat bis hin zur Sitte und der Abteilung für Brandstiftung. Zudem beleuchtet L.A. Noire in Rückblenden die Militärvergangenheit des Helden, um so seine Motivation zu verdeutlichen. 

Die Grafik:

Die Mimik der NPCs ist genialDie Grafik von L.A. Noire hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. So merkt man dem Spiel einerseits seine lange Entwicklungszeit negativ an. Insbesondere die verwendete Grafikengine befindet sich nciht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. In der Folge kommt es immer wieder zu nervigen "Pop ups" und störenden Rucklern. Zudem könnten auch die verwendeten Texturen schärfer sein. Immerhin gelingt es den Entwicklern, den oftmals pixeligen Hintergrund durch den geschickten Einsatz von Unschärfeeffekten zu kaschieren. Auch die Animationen in L.A. Noire können nicht restlos überzeugen. Insbesondere die Übergänge zwischen den einzelnen Animationsphasen wirken sprunghaft und wenig geschmeidig. Bei aller Kritik gilt es jedoch, auch lobende Worte zu finden. So setzen die hervorragenden Gesichtsanimationen neue Maßstäbe im Bereich der Computer- und Videospiele. Zu verdanken ist dies dem konsequenten Einsatz der innovativen "Motionscan"-Technologie. Dabei werden die Emotionen realer Schauspieler mit einer Vielzahl von Kameras aufgezeichnet und anschließend auf das virtuelle Pendant übertragen. Das Ergebnis ist eine sehr realistisch wirkende Mimik der NPCs. Im Hinblick auf die authentische Darstellung menschlicher Emotionen ist L.A. Noire somit absolut wegweisend. Zudem setzen die Entwickler geschickt aus Filmen bekannte Stilmittel ein. Dies beginnt bei den Kamerafahrten zur Vorstellung neuer Schauplätze und endet mit gekonnten Schnitten bei Verhören und Zeugenbefragungen. Schließlich ist auch noch die exzellente Qualität der zahllosen Zwischensequenzen lobend zu erwähnen. Hierbei zahlt sich die lange Entwicklungszeit in einer Flut von Details erkennbar aus. In der Gesamtbetrachtung bleibt somit festzuhalten, dass sich die Grafik von L.A. Noire im oberen Drittel aktueller Konsolenspiele bewegt. Mit Ausnahme der hervorragenden Gesichtsanimationen wird jedoch kein Referenzniveau erreicht.  

Der Sound:

L.A. Noire verfügt als typisches Spiel von Rockstar Games lediglich über eine englische Sprachausgabe. Eine deutsche Synchronisierung ist weder in der Verkaufsversion implementiert, noch befindet sich eine entsprechende Übersetzung in Planung. Daher sind solide englische Sprachkenntnisse unabdingbare Voraussetzung für ein faszinierendes Spielerlebnis. Zwar verfügt L.A. Noire auch über deutsche Untertitel. Wer auf die Untertitelung angewiesen ist, kann jedoch zwangsläufig nur eingeschränkt auf das Geschehen auf dem Bildschirm achten. Besonders störend ist diese Einschränkung bei den innovativen Verhören zum Abschluss der Ermittlungsarbeit. So lässt die Mimik des Verdächtigen oftmals Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu. Wer nicht auf den Gesichtsausdruck seines Gegenübers achten kann, der ist somit klar im Nachteil. An dieser Stelle bleibt jedoch auch festzuhalten, dass die englische Sprachausgabe exzellent umgesetzt wurde. Nahezu jeder der 400 im Spiel enthaltenen Charaktere wurde passend und glaubwürdig vertont. Zudem kann auch die Geräuschkulisse des virtuellen Los Angeles überzeugen. Insbesondere auf den ausgedehnten Fahrten durch die virtuelle Großstadt lässt sich bei Jazzmusik vortrefflich entspannen. Aufgelockert wird das Radioprogramm dabei durch Originalaufnahmen zeitgenössischer Moderatoren. Einziger Kritikpunkt bleibt somit der Umstand, dass L.A. Noire im Gegensatz zu den Spielen der GTA-Serie keine unterschiedlichen Radiosender bietet. Dafür untermalt jedoch ein orchestraler Score in dezenter Art und Weise die Spannungssituationen während der Hinweissuche und den anschließenden Verhören.  

Die Steuerung:

Die Nahkämpfe sind zu einfachHinsichtlich der Steuerung erreicht L.A. Noire nicht ganz den hohen Standard von anderen "Rockstar Games"-Spielen. So funktioniert insbesondere das Deckungssystem nicht präzise genug. In der Folge kommt es immer wieder vor, dass der Held nach Drücken von "R1" nicht die gewünschte Position einnimmt. Wie man es besser macht zeigt GTA IV. Wo Cole Phelps unbeholfen von Deckung zu Deckung stolpert, nutzt Nico Bellic geschickt jede Möglichkeit aus, sich vor gegnerischen Projektilen in Sicherheit zu bringen. Generell gilt, dass die Actionpassagen in L.A. Noire recht kurz und anspruchslos ausgefallen sind. Insbesondere die Bewältigung der solide inszenierten "Straßenverbrechen" nimmt selten mehr als fünf Minuten in Anspruch. Zudem sind die übrigen Actionsequenzen mit großzügig verteilten Rücksetzpunkten versehen. Die Actionpassagen unterteilen sich dabei in Verfolgungsjagden, Schießereien und Schlägereien. So gilt es häufig, einen fliehenden Verbrecher zu Fuß oder im Auto zu vefolgen. Was sich zu Spielbeginn noch als spannendes Spielelement darstellt, wird im weiteren Verlauf schnell langweilig. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Kamera sich während der Verfolgung eines Verdächtigen automatisch zentriert. Darüber hinaus reicht es bei den automobilen Verfolgungsjagden zumeist aus, sich neben den Wagen des Flüchtenden zu setzen. Der jeweilige Partner erledigt dann mittels eines gezielten Schusses auf die Reifen des Fluchtfahrzeuges den Rest. Noch anspruchsloser fallen die Faustkämpfe in L.A. Noire aus. Im Grunde benötigen sie nur zwei Tasten (Schlag und Ausweichen), um die Nahkämpfe erfolgreich zu absolvieren. Zu allem Überfluss führt hierbei auch simples "Button Mashing" zum Erfolg. Taktisches Vorgehen ist nicht erforderlich. Auch die Schießereien in L.A. Noire stellen für geübte Spieler keine wirkliche Herausforderung dar. Wie schon "Red Dead Redemption" verfügt auch L.A. Noire über ein System zur automatischen Zielerfassung. So zielt Cole Phelps ohne zutun des Spielers auf den jeweils nächsten Gegner, sobald er seine Waffe zieht. Auch Schusswechsel mit mehreren Gegnern sind so schnell beendet. Im Ergebnis sind die an der Fraktion der "Casual Gamer" orientierten Actionpassagen somit lediglich eine nette Dreingabe zur eigentlichen Ermittlungsarbeit. Doch auch bei der Aufklärung der 21 Storyfälle nerven diverse Bedienungsmacken. So werden etwa Hinweise erst dann in das Notizbuch übernommen, wenn die entsprechenden Untertitel komplett durchgelaufen sind. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Umstand, dass nur wichtige Hinweise in das Notizbuch übernommen werden. Eine Bewertung der Indizien seitens des Spielers ist in L.A. Noire nicht erforderlich. Teilweise fühlt es sich bei der Lektüre des Notizbuches an, als ob man wie auf Schienen zur Falllösung geführt wird. Positiv zu erwähnen ist jedoch das durchdachte dreistufige Hilfesystem von L.A. Noire. So hat der Spieler jederzeit die Möglichkeit, seinen Partner um Rat zu fragen. Dieser gibt daraufhin nützliche Hinweise zum weiteren Vorgehen. Zudem unterstützt L.A. Noire den Spieler bei der Ermittlungsarbeit am Tatort. Hierbei erklingt eine prägnante Klaviermelodie, wenn sich der Held in der Nähe eines Hinweises befindet. Darüber hinaus beginnt der Contoller zu vibrieren. Wer auf eine derart weitgehende Unterstützung verzichten will, der hat die Möglichkeit die Hilfefunktionen in den Optionen zu deaktivieren. Schließlich kann der Spieler durch den Einsatz von sog. "Intuitionspunkten" falsche Antwortoptionen in den Verhören streichen. Alternativ dazu lässt sich auch die entsprechende Top-Antwort der Community einsehen. Die nützlichen "Intuitionspunkte" verdient sich Cole Phelps wiederum durch die richtige Einschätzung von Zeugenaussagen. Ebenfalls positiv zu erwähnen ist der Umstand, dass man die ausgedehnten Autofahrten durch das virtuelle Los Angeles auf Wunsch auch überspringen kann. In diesem Fall braucht man lediglich seinen Partner aufzufordern, dass Steuer zu übernehmen.     

Die Atmosphäre:

Die Verhöre sind ein HighlightDie größte Stärke von L.A. Noire ist die hervorragende Inszenierung. In seinen besten Momenten erinnert das Action-Adventure dann auch an eine aufwändig produzierte TV-Serie im Stile von "Boardwalk Empire". Als Beleg für die Qualität der Zwischensequenzen mag der Umstand dienen, dass ein rund 60-minütiger Zusammenschnitt dieser Sequenzen auf dem "Tribeca Film Festival" vorgeführt wurde. Dies ist besonders bemerkenswert, da das "Tribeca Film Festival" ansonsten klassischen Kinofilmen vorbehalten ist. In diesem Zusammenhang muss auch die großartige Arbeit der Schauspieler gewürdigt werden, die als Vorbild für die rund 400 NPCs in L.A. Noire gedient haben. Inhaltlich orientiert sich L.A. Noire am großen Vorbild des "Film noir". Wie schon in den entsprechenden Hollywoodfilmen, stehen somit überzeichnete Charaktere und große Emotionen im Mittelpunkt der Handlung. Darüber hinaus vermögen auch die geschliffenen Dialoge von L.A. Noire zu begeistern. Dabei sind insbesondere die zynischen Kommentare des Helden ein Beleg für seine fortschreitende Desillusionierung. Zudem verschaffen die spannenden Storyfälle dem Spieler einen ungeschönten Blick auf die Abgründe des Molochs Los Angeles. Darüber hinaus entfaltet die Hintergrundstory dank einiger unerwarteter Wendungen eine ganz eigene Sogwirkung. Als besonders atmosphärisches Spielelement erweisen sich die innovativen Verhöre. Hier spielt die geniale "Motionscan"-Technologie ihre Trümpfe aus. In den Verhören und Zeugenbefragungen gilt es anhand der Mimik des jeweiligen Gegenübers einzuschätzen, ob dieser die Wahrheit sagt, Informationen zurückhält oder schlichtweg lügt. Dabei gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass ein Verdächtiger lügt oder unvollständige Angaben zum Sachverhalt macht. So zucken Lügner auffällig mit den Wimpern oder ihr Blick wandert unruhig im Raum umher. Zudem meiden die Beschuldigten in einem solchen Fall den direkten Blickkontakt und schauen schuldbewusst zu Boden. Generell gilt, dass die Reaktionen der Verdächtigen in L.A. Noire fast schon zu übertrieben sind. Mit etwas Übung entwickelt der Spieler schnell ein Gespühr dafür, ob ein Verdächtiger lügt oder aber die Wahrheit sagt. Beschuldigt man den Verdächtigen einer Lüge, so gilt es diese Behauptung durch stichhaltige Beweise zu untermauern. Hierbei erweist sich ein Blick in das Notizbuch als äußerst hilfreich. Dieses kann der Spieler zu jedem Zeitpunkt des Verhöres konsultieren, um so die Aussagen des Verdächtigen zu überprüfen. Zudem hat der Spieler die Möglichkeit, den Verdächtigen zwischen den einzelnen Fragen mittels des rechten Analogsticks zu beobachten. Je nach Verhörverlauf ergeben sich dann unterschiedliche Lösungswege. So müssen verpasste Informationen ggf. an anderer Stelle beschafft werden. Es ist also durchaus möglich, dass sie bei geschickter Befragung der Zeugen und Verdächtigen gar nicht alle Schauplätze eines Falles zu Gesicht bekommen. Der Ausgang eines Falles bleibt jedoch stets gleich. Im Regelfall gilt es dabei, einen Verdächtigen durch ein Kreuzverhör auf dem Revier aus der Reserve zu locken. Hierbei muss der Protagonist alle Informationen nutzen, um den Täter zu überführen. Dieser verstrickt sich bei geschickter Verhörführung in unauflösbare Widersprüche und legt schließlich ein Geständnis ab. Besonders spannend sind hierbei jene Verhörsituationen, in denen Cole Phelps und sein Partner mehrere Verdächtige parallel befragen. Allerdings ist ebenso festzuhalten, dass sich auch in den Verhören die Lösungstaktiken merklich wiederholen. So reicht es bei fehlenden Beweisen oftmals aus, die Aussagen des Verdächtigen konsequent anzuzweifeln, um so zum Ermittlungserfolg zu gelangen. Auch diese Komponente von L.A. Noire ist daher merklich am aktuellen Trend zum "Casual Gaming" ausgerichtet. Diese Ausrichtung wird durch den Umstand untermauert, dass es abseits eines simplen Rangsystemes keine Entwicklung der Heldenfähigkeiten gibt. Dabei hätte es sich angeboten, den Protagonisten zumindest bei den sporadischen Dezernatswechseln mit neuen Ermittlungsmethoden zu konfrontieren.     

Die Spielwelt:

Mode und Architektur sind authentischL.A. Noire überzeugt mit einer authentisch umgesetzten und liebevoll nachgebauten Spielwelt. Hierzu haben sich die australischen Entwickler an zeitgenössischen Fotos und historischen Stadtplänen orientiert. Angesichts der immensen Detailverliebtheit mit der die Entwickler von Team Bondi das Los Angeles der 40er-Jahre nachgeabut haben, drängt sich der Eindruck auf, dass ein großer Teil der fünfjährigen Entwicklungszeit in das Design der Spielwelt geflossen sein muss. So wirkt L.A. Noire an vielen Stellen wie ein sorgsam inszeniertes Stillleben. Da flanieren im Stile der 40er-Jahre gekleidete Passanten über die virtuellen Boulevards, während lizenzierte Strassenkreuzer ein dichtes Verkehrsnetz bilden. Insbesondere dank der stimmigen Umsetzung der zeitgenössischen Mode und Architektur erinnert L.A. Noire in vielen Aspekten an die Fernsehserie "Boardwalk Empire". Zudem drängt sich ein Vergleich zum Hollywoodfilm "L.A. Confidential" mit Kim Basinger, Russel Crowe und Kevin Spacey auf. Auch thematisch knüpft L.A. Noire an das filmische Vorbild an. So steht das virtuelle Los Angeles nach außen hin für Glanz und Reichtum. Insbesondere die "Traumfabrik" Hollywood wirkt wie ein Magnet auf all jene, die schnell zu Ruhm und Reichtum gelangen wollen. So wird deutlich, dass die Gesellschaft des digitalen Los Angeles von Korruption und Gier zerfressen ist. Generell gilt, dass die Spielwelt von L.A. Noire mit sozialen und politischen Konflikten geradezu aufgeladen ist. Insbesondere in den Zwischensequenzen verarbeiten die Entwickler dann auch Themen wie die Rassentrennung und die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Darüber hinaus wirft auch der gerade beendete Weltkrieg einen langen Schatten auf das virtuelle Los Angeles. So macht eine Vielzahl an traumatisierten Kriegsheimkehrern die Straßen von L.A. Noire unsicher. Zudem ist der Argwohn gegenüber Nazis und Kommunisten überall spührbar. Darüber hinaus hat insbesondere das Umfeld Hollywoods vielfach mit Alkohol- und Drogenproblemen zu kämpfen. Ungeachtet dieser Schattenseiten gibt es jedoch im digitalen Los Angeles auch viel Positives zu entdecken. Beispielhaft seien hier nur die 30 Wahrzeichen der Stadt genannt, die die Entwickler sorgsam in das Spiel integriert haben. Darüber hinaus haben die Entwickler von Team Bondi 25 Autos sowie 50 goldene Filmdosen in der Spielwelt von L.A. Noire versteckt. Während die Position der Automobile als Fragezeichen auf der Minikarte vermerkt ist, sind die Filmdosen nur äußerst schwierig zu finden. Zudem haben die Entwickler 13 Zeitungen in den Levels verteilt. Jede dieser Zeitungen schaltet dabei eine aufwändige Bonus-Zwischensequenz frei, in der die Hintergrundgeschichte von L.A. Noire näher beleuchtet wird. Somit lädt die Spielwelt von L.A. Noire zu ausgedehnten Entdeckungstouren ein. Naturgemäß drängt sich an dieser Stelle ein Vergleich mit der Spielwelt von GTA IV auf. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass das virtuelle Los Angeles rund acht Quadratkilometer umfasst. Die Spielwelt von L.A. Noire ist damit noch einmal deutlich größer als das Liberty City von GTA IV. Ungeachtet dieser Tatsache ist L.A. Noire jedoch kein klassisches "Sandbox"-Spiel. Im Vergleich mit GTA IV wird vielmehr deutlich, dass die Spielwelt von L.A. Noire weit weniger Handlungsoptionen abseits der Hauptstory bietet. So sucht man vergeblich nach den aus GTA IV bekannten Bars, Restaurants und Cabarets mit ihren charakteristischen Minispielen. Zudem gibt es in L.A. Noire auch keine Klamotten- oder Waffenläden, in denen man Outfit oder Ausrüstung des Helden modifizieren könnte. Unter dem Strich stellt sich daher die Frage, nach dem Sinn der offenen Spielwelt in L.A. Noire. Insbesondere wenn man bedenkt, wieviel Entwicklungszeit in die detailierte Umsetzung der Spielwelt geflossen sein muss, drängt sich die Überzeugung auf, dass die Entwickler stattdessen ihr Augenmerk auf die Überarbeitung des linearen Spieldesigns hätten richten sollen. Im Ergebnis bildet das virtuelle Los Angeles lediglich eine prachtvolle Kulisse für die Handlung des Action-Adventures. Die geringe spielerische Freiheit und das zu redundante Spieldesign sind daher auch die größten Kritikpunkte an L.A. Noire.         

Fazit und Gesamtwertung:

Mit L.A. Noire verlässt Rockstar Games die ausgetretenen Pfade der GTA-Serie. Im Gegensatz zu den actionbetonten Spielen aus dem GTA-Universum, legt L.A. Noire den Fokus auf die investigative Komponente der Polizeiarbeit. Die spielerische Umsetzung der polizeilichen Ermittlungsarbeit ist dabei jedoch verbesserungswürdig. So wiederholen sich die Abläufe im Spieldesign nach längerer Zeit deutlich. Lediglich die innovativen Verhöre wissen dank des konsequenten Einsatzes der genialen "Motionscan"-Technologie restlos zu überzeugen. Demgegenüber fallen die Actionpassagen des Spiels allesamt zu leicht aus. Dennoch bietet L.A. Noire rund 20 Stunden solide Unterhaltung. Dieser Umstand ist insbesondere der fesselnden Hintergrundgeschichte rund um die "Black Dhalia"-Morde und der deatailierten Spielwelt geschuldet. Zudem steht L.A. Noire in der Tradition des "Film noir". Entsprechend viel Aufwand haben die Entwickler von Team Bondi in die kinoreife Inszenierung und die geschliffenen Dialoge investiert. Im Ergebnis spielt sich L.A. Noire stellenweise wie ein interaktiver Film. All jene, die auf eine spannende und ausgefeilte Handlung Wert legen und sich von dem ungewöhnlichen Spielprinzip nicht abschrecken lassen, können daher bedenkenlos zugreifen.

 

Spielspaßwertung: 82 %

 

Releasedatum: 20.05.2011

 

Technische Daten:

  • Publisher: Rockstar Games
  • Entwickler: Team Bondi
  • Videomodi: 720p
  • Installationsgröße: 1,2 GB
  • Sixaxis-Support: nein
  • USK: ab 16 Jahren