Anno 1800 - Review (PC)

Die Industriealisierung steht vor der Tür !

Mit Anno 1800 kehren die Entwickler von Blue Byte nach diversen Ausflügen in die Zukunft (Anno 2205, Anno 2070) zurück in ein historisches Szenario. Ebenso wie das bisherige Serienhighlight Anno 1404 nimmt sie auch der neueste Serienteil mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Dabei haben sich die Mainzer Entwickler keinen geringeren Hintergrund als das Zeitalter der beginnenden Industriealisierung ausgesucht. Ist Anno 1800 dabei nur ein "Best-of" der bisherigen sechs Serienteile oder überzeugt der neueste Teil der legendären Aufbaureihe auch mit neuen innovativen Ideen?

Das Spielprinzip:

anno1800screenshot001Ubisoft Blue Byte verlegt das seit nunmehr 20 Jahren bewährte Grundprinzip der Anno-Reihe ins Zeitalter der Industriellen Revolution. In einer zufällig generierten Inselwelt gilt es zunächst eine Insel mit Bauern zu besiedeln. Um deren Grundbedürfnisse zu befriedigen, platzieren wir Fischereibetriebe, Holzfäller und Sägewerke, Schäfer und Webereien sowie Kartoffelfarmen samt zugehöriger Schnapsbrennerei in der Spielwelt. Zudem errichten wir einen Marktplatz, der wiederum zur Sicherung der Grundversorgung unentbehrlich ist. Sind dann alle Grundbedürfnisse der siedelnden Bauern erfüllt, können wir sie in die nächste Entwicklungsstufe (Arbeiter) befördern. Der entsprechende Aufstieg schaltet serientypisch wiederum neue Gebäude und Produktionsketten frei. Zugleich steigen die Grundbedürfnisse ihrer Bewohner sprunghaft an, sobald sie die nächste Evolutionsstufe erreicht haben. Generell gilt, dass Anno 1800 mit jeder der fünf Zivilisationsstufen immer komplexere Produktionsketten und Handelsrouten erfordert. Der Spieler muss so in der virtuellen Welt schnell expandieren, um sich rechtzeitig die erforderlichen Ressourcen (Rohstoffe und Anbaumöglichkeiten) zu sichern. Die in Rede stehende Expansion bedingt dabei einen diplomatischen Austausch mit den KI-Konkurrenten sowie mit den neutralen Händlern und Piraten in der Welt von Anno 1800. Ein Alleinstellungsmerkmal von Anno 1800 ist die Aufteilung der Weltkarte in "Alte Welt" und "Neue Welt", Dabei erstreckt sich das Reich des Spielers zusätzlich auf eine "südamerikanische" Kolonie. Die in Rede stehenden Ländereien weisen dabei eigene Produktionsketten sowie zwei lokale Zivilisationsstufen (Jornaleros und Obreras) und konkurrierende KI-Gegner auf. Der Wechsel zwischen den Regionen erfolgt hierbei per Mausklick und ohne Ladepause. Dabei dient die Story-Kampagne gleichsam als Tutorial und integriert sich nahtlos ins Endlosspiel. Insoweit steht Anno 1800 seinem Vorgänger Anno 2205 in nichts nach. Zudem ist die Story-Kampagne weitgehend konfigurierbar.

Die Neuheiten:

anno1800screenshot002Anno 1800 bietet neben der "Alten Welt" erstmals auch eine "Neue Welt". Die in Rede stehende "Neue Welt" muss der Spieler durch die Teilnahme an Expeditionen zunächst entdecken, bevor er Schiffe in die neuentdeckten Teile der Welt entsenden und dabei unbesiedelte Inseln durch den Bau eines Kontors für sich beanspruchen kann. Anhand der Minikarte in der linken unteren Bildschirmecke kann der Spieler dabei zwischen "Alter-" und "Neuer Welt" hin- und herschalten. Während die Inselwelt in der "Alten Welt" aufgrund ihrer Bodenfruchtbarkeit und Rohstoffvorkommen eher an europäische Landstriche erinnert, orientiert sich die "Neue Welt" in dieser Hinsicht an Südamerika. Anno 1800 verknüpft dabei die Stärken des legendären Anno 1404 mit denen des (umstrittenen) Zukunftsvorgängers Anno 2205. Entsprechend des in Rede stehenden Klassikers Anno 1404 kennt auch  Anno 1800 selbsterklärende Produktionsketten (Korn, Mehl, Brot etc.) und einen umfangreichen Logistikpart. Dabei wird jede Ware sichtbar per Marktkarren in das nächstgelegene Lagerhaus oder direkt zu einem weiterverarbeitenden Betrieb geliefert. Von Anno 2205 erbst der neueste Serienteil hingegen den Gigantismus im Hinblick auf die Ausmaße von Farmen und Fabriken. Eine wichtige Neuheit in Anno 1800 sind die sog. "Blaupausen". Diese ermöglichen die Platzreservierung für später zu errichtende Gebäude für den Fall, dass der Spieler im Moment noch nicht über die zur Errichtung erforderlichen Rohstoffe verfügt. Eine weitere neue Stellschraube in Anno 1800 betrifft die Möglichkeit, die Produktivität von Einzelbetrieben per Mausklick und auf Kosten der Arbeiterzufriedenheit temporär zu steigern. Jeder Betrieb benötigt in Anno 1800 die passenden Arbeitskräfte. In der direkten Folge wird der Bevölkerungsaufstieg zum taktischen Element. So stehen etwa zu Ingenieuren beförderte Handwerker fortan in ihren ursprünglichen Betrieben nicht mehr als Arbeitskraft zur Verfügung. Eine absolute Neuheit in Anno 1800 betrifft die "Attraktivität" ihrer virtuellen Städte. Die Aufbausimulation von von Ubisoft Blue Byte bewertet erstmals auch die Anziehungskraft ihrer virtuellen Städte. Die in Rede stehende Bewertung gewinnt vor allem im späteren Partieverlauf an Bedeutung. Ebenfalls neu im aktuellen Serienteil sind die ausbaufähigen öffentlchen Gebäude (Rathaus, Handelskammer etc.). In diesen lassen sich Spezialisten oder Gegenstände hinterlegen, die wiederum spürbaren Einfluss auf die umliegenden Häuser und Betriebe haben. Die entsprechenden Spezialisten und Gegenstände gewinnt der Spieler durch das Erfüllen von optionalen Nebenquests (Rettungsmissionen, Geleitschutzmissionen, Foto-Shootings etc.). Eine weitere Neuheit in diesem Zusammenhang sind die "Expeditionen" in Anno 1800. Erfolgreiche "Expeditionen" bringen dabei legendäre Gegenstände und wertvolle Spezialisten mit aus dem "Ausflug" in die unerkundeten Gebiete. Andererseits können die in Rede stehenden "Expeditionen" auch scheitern und dabei dem Spieler wertvolle Spezialisten kosten. Die entsprechenden Abenteuer haben somit in Anno 1800 auch ein gewisses Frustpotential. Um Komplikationen auf ihren "Expeditionen" zu vermeiden, bietet es sich vor dem Start des Abenteuers an, die Beladung des Schiffes mit solchen Gütern und Items vorzunehmen, die entsprechend den erwarteten Herausforderungen von Nutzen sein können. Die mitgebrachte Ladung beeinflusst folglich die Erfolgsaussichten. Zudem muss der Spieler während der Reise immer wieder Entscheidungen treffen, die negative Auswirkungen auf die Moral der Crew haben können. Sinkt die Moral der Mannschaft auf Null, so gilt die "Expedition" als gescheitert. Demgegenüber belohnen erfolgreiche "Expeditionen" den Spieler mit nützlichen Items (z.B.: exotische Tiere für ihren Zoo). Darüber hinaus bietet die 5. Zivilisationsstufe (Investoren) eine weitere Herausforderung in Anno 1800. Die in Rede stehenden Investoren fordern einerseits diverse aufwändig herzustellende Luxuswaren (Schokolade, Zigarren, Sekt etc.) und sind andererseits nicht in der Produktion einsetzbar. Insbesondere der Aufstieg vom Ingenieur zun Investor will daher gut überlegt sein, da hier eventuell wichtige Arbeitskraft schlichtweg ausfällt. Allerdings zahlen die Investoren horrende Steuern und generieren zudem auch "Einfluss" (eine neue Ressource in Anno 1800). Der entsprechende Maximalwert dient dabei als Obergrenze für alle Aktivitäten des Spielers (Größe von Handels- und Militärflotte, Anzahl an Handelskammern, Anzahl an besiedelten Inseln etc.). Mit dem zur Verfügung stehenden "Einfluss" lässt sich unter anderem auch die spieleigene Zeitung zensieren. Negative Nachrichten werden so schlichtweg nicht publiziert. Generell gilt, dass der Spieler zu Beginn der Partie noch mehr als genug "Einflusspunkte" auf seinem virtuellen Konto hat. Erst im letzten Spieldrittel muss der Spieler diesbezüglich Prioritiäten setzen, was wiederum zu einigen schwierigen Entscheidungen führt. Nach hier vertretener Ansicht sind die "Expeditionen" die einzige Ergänzung des Spielprinzips von Anno 1800, die nur eingeschränkt zu überzeugen vermag. So muss der Spieler nach der Beladung des Schiffes immer wieder Entscheidungen treffen. Die in Rede stehenden Einblendungen erinnern frappierend an ein klassisches Text-Adventure. Dabei wiederholen sich die Ereignisse nach etlichen Stunden an Spielzeit merklich. Der Spieler wird somit dazu verleitet, die Textfragmente nicht mehr zu lesen, sondern nur stur auf die Option mit den größten Erfolgsaussichten zu klicken.           

Die Grafik:

anno1800screenshot003Die frei dreh- und zoombare Kamera setzt die detaillierte Spielgrafik von Anno 1800 gekonnt in Szene. Auf der höchsten Zoomstufe kann der Spieler dabei regelrecht in die Spielwelt eintauchen. Die virtuellen Bewohner gehen hervorragend animiert ihrer Arbeit nach. Insbesondere bei den von zufriedenen Bürgern inszenierten Stadtfesten lohnt es sich genauer hinzusehen. Die Entwickler von Blue Byte ziehen hier alle Register und lassen einen prächtig animierten Umzug durch die Stadt auf dem Marktplatz enden. Auch auf den niedrigeren Zoomstufen (auf denen der Spieler die meiste Zeit in Anno 1800 verbringt) macht die Spielwelt eine gute Figur. Insbesondere "Schönbauer" können ihre Kunstwerke auch bereits auf den niedrigeren Zoomstufen bewundern, ohne dass dabei die notwendige Übersicht verloren geht. Auch die wenigen Menüs können grafisch überzeugen. Besonders auffällig in diesem Zusammenhang ist das Diplomatiemenü mit den liebevoll gestalteten Konterfeis der virtuellen Konkurrenten. Generell bietet Anno 1800 eine beispiellose Liebe zum Detail. Insbesondere die hervorragend animierten Produktionsbetriebe sorgen für eine lebendige Spielwelt.        

Der Sound:

Anno 1800 überzeugt mit einer guten deutschen Synchronisation der virtuellen Konkurrenten des Spielers. Die in Rede stehenden Stimmen lassen dabei direkte Rückschlüsse auf den Charakter des jeweiligen Konkurrenten zu. Neben passablen Soundeffekten (Seeschlachten) bietet der neueste Serienteil zudem eine eingängige Hintergrundmusik in den Menüs. Der atmosphärische Soundtrack ist zudem Bestandteil der zum Release des Spieles verfügbaren "Sonderausgabe" von Anno 1800. Zudem können alle Soundkomponenten in den Optionen frei gewichtet werden.

Die Steuerung:

anno1800screenshot004Serieneinsteiger freuen sich in Anno 1800 über durchdachte Menüs und umfangreiche Spielhilfen. Auch das Bauen gestaltet sich komfortabel. So sind die Gebäude vor dem Bauen durch Druck auf die mittlere Maustaste (Mausrad) um jeweils 90 Grad drehbar. Anno 1800 verfügt zudem über nachvollziehbare Produktionsketten (Minimum: 2 Stufen; Maximum: 5 Stufen). Die nützliche "Blaupause"-Funktion ermöglicht dem Spieler zudem die vollumfängliche Planung von neuen Stadtteilen. Dabei werden die betreffenden Gebäude quasi als "Geister" auf der Spielkarte vermerkt. Hat der Spieler schließlich das nötige Kapital bzw. die entsprechenden Rohstoffe auf der Insel akkumuliert, so kann er mit einem Mausklick das entsprechende Gebäude ins Leben rufen. Zu überzeugen vermag auch die komfortable Einrichtung von Handelsrouten. Hierbei gibt der Spieler die Anlaufhäfen an und legt die gehandelten Waren (An- und Verkauf) fest. Zum Abschluss der Routenplanung weist der Spieler der in Rede stehenden Route die entsprechenden Schiffe zu. Die Handelsrouten ermöglichen dabei auch den nahtlosen Transit zwischen "Alter Welt" und "Neuer Welt". Der Wechsel zwischen den Handelsräumen ist über das entsprechende Menü mit nur einem Mausklick möglich. Generell gilt, dass die Kampagne und das Endlosspiel von Anno 1800 bis ins Detail konfigurierbar sind. Die KI von Anno 1800 stellt selbst für Profis eine Herausforderung dar. Die KI-Konkurrenten agieren größtenteils logisch und expandieren je nach Charakter durchaus aggressiv in der zufällig generierten Inselwelt. In der komplexen Spielwelt von Anno1800 besteht immer und überall Optimierungsbedarf. Eventuelle Fehlentscheidungen der Entwickler sind Dank dem direkten Feedback aus der Community schnell als solche identifizierbar und in der Folge auch korrigierbar. Nicht zuletzt Dank des aktiven Community-Supports verfügt Anno 1800 bereits in der Releaseversion über ein ausgewogenes Balancing. Insbesondere sind die "Schulden-Sackgassen" der Vorgänger in Anno 1800 nur noch Vergangenheit. Abgesehen von den möglichen Multiplayer-Duellen lassen sich alle anderen Modi von Anno 1800 offline spielen, ohne dabei in der Funktionalität eingeschränkt zu sein. Lediglich auf ein paar via Uplay freigeschaltete Charakterportraits muss der Spieler offline verzichten. Wo viel Licht ist, ist jedoch auch Schatten. So ist das in Anno 1800 implementierte System der Items auf den ersten Blick zu umständlich. Zudem treten gefühlt zu häufig Feuer in der Spielwelt auf. Trotz des Einsatzes der möglichst allgegenwärtigen Feuerwehr kommt es hierbei immer zu Schäden in Form von niedergebrannten Häusern oder Industrieeinrichtungen. Der Spieler ist angehalten, nach jedem Feuer die entsprechenden Gebäude wiederherzustellen. Übersieht der Spieler dabei auch nur ein einziges Gebäude, können schnell Versorgungslücken bei den entsprechenden Produkten entstehen. Anno 1800 erfordert in diesem Zusammenhang also viel Mikromanagement. Leider bietet Anno 1800 keine fortschreitende Spielzeit (Tage, Monate, Jahre). Jedoch verfügt der neueste Serienteil über eine komfortable Beschleunigungsfunktion. Anlass zur Kritik bietet darüber hinaus das lückenhafte Kampagnen-Tutorial. Zudem ist das Diplomatiesystem von Anno 1800 zu teuer und nicht immer nachvollziehbar. Darüber hinaus stört in Anno 1800 die hohe Latenzzeit zwischen der Erstellung von Handelsrouten und dem ersten Ertrag aus diesen Routen. So müssen Schiffe unter Umständen zwei komplette Karten ("Alte Welt" und "Neue Welt") durchsegeln. Zudem verbringen ihre Schiffe mehrere Minuten im Transit zwischen den Regionen. In der Folge dauert es in Anno 1800 erheblich länger als noch in den Vorgängern, zu spät erkannte Versorgungslücken adäquat zu beheben.

Die Atmosphäre:

anno1800screenshot005Anno 1800 stellt den Spieler mit dem motivierenden Aufstieg innerhalb der Zivilisationsstufen (Bauern, Arbeiter, Handwerker, Ingenieure, Investoren) vor komplexe logistische Aufgaben. Gelingt es dem Spieler nicht, alle Rohstoffvorkommen und Bodenfruchtbarkeiten durch eine expansive Siedlungspolitik in seinem Inselreich zu vereinen, so ist der Spieler gezwungen, die entsprechenden Materialien und/oder ebenfalls die aus diesen resultierenden Zwischen- und Endprodukte auf dem Handelsweg zu importieren. Zu den benötigten Rohstoffen zählen zum Beispiel Öl-, Kohle-, Eisenerz-, Zink- und Salpetervorkommen. Darüber hinaus können manche Produkte grundsätzlich nur in der "Neuen Welt" angebaut werden. Insbesondere Zuckerrohr und Baumwolle sind insoweit den Kolonien in der "Neuen Welt" vorbehalten. Dabei ist eine möglichst stabile Versorgung mit den entsprechenden Handelsgütern die entscheidende Voraussetzung für den Aufstieg ihrer virtuellen Bürger. In diesem Zusammenhang sind auch die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Spieler und seinen virtuellen Konkurrenten von großer Wichtigkeit. Insbesondere die Vergabe von Handelsrechten ist im Hinblick auf eine stabile Versorgung mit Bedarfsgütern hilfreich. Ein einschneidendes Ereignis in der Spielwelt von  Anno 1800 ist die im zweiten Spieldrittel erforderliche Elektrifizierung ihrer Industriebetriebe über Öl-Kraftwerke. Die freigeschaltete Produktionskette "Elektrizität" (Voraussetzung: Tier 4 - Ingenieure) verändert die komplette Logistik der Hauptinsel. Die entsprechende Energiewende gestaltet sich dabei sehr Rohstoff- und Kostenintensiv. Die in Rede stehende Elektrifizierung ist hierbei bereits für den Aufstieg von Ingenieuren zu Investoren erforderlich. Das Erreichen von Tier 5 wird dadurch sehr viel komplizierter als noch im Sereinvorgänger. Die erforderlichen Kraftwerke müssen dabei in der Nähe ihrer Industrieeinrichtungen errichtet werden und sind per Schienennetz mit Öl zu beliefern. Bestehende Gebäude müssen bei Bedarf neu platziert werden. Als Lohn für die Elektrifizierung ihrer Industriebetriebe winken gigantische Produktions- und Konsumgewinne. Ein weiterer wichtiger Fortschritt in der Spielwelt von Anno 1800 ist der Bau einer (extrem kostspieligen) Werft für Dampfschiffe. Die in Rede stehenden Stahlkolosse lösen im zweiten Spieldrittel die Segelschiffe ab. Generell gilt, dass der Spieler schon zu Spielbeginn expansiv spielen sollte.Beschäftigt er sich zuerst nur mit seiner Hauptinsel, so hat er das Rennen um die rohstoffreichsten Inseln in der "Alten-" und "Neuen Welt" wahrscheinlich schon verloren. Anno 1800 wartet mit genial verzahnten Spielmechaniken auf. Insbesondere die unterschiedlichen Zivilisationsstufen mit ihren spezifischen Herausforderungen stellen den Spieler immer wieder vor interessante Aufgaben. Hinzu kommen die spannenden neuen Spielsysteme (Zoo, Museum etc.), die wiederum für enorme spielerische Freiheit sorgen. Im Mittelpunkt der Kampagne steht jedoch der faszinierende Wechsel ins Industriezeitalter. Darüber hinaus erzählt auch jede Endlospartie eine eigene Geschichte. Nicht zuletzt aufgrund der per Zufallsgenerator erzeugten Inselwelten verfügt Anno 1800 darüber hinaus über einen hohen Wiederspielwert. Auch im motivierenden "Endgame" gibt es in Anno 1800 noch Viel zu entdecken. Dabei überschüttet der neueste Serienteil den Spieler im Minutentakt mit Belohnungen (vergleichbar mit einem Action-Rollenspiel). Gewöhnliche, ungewöhnliche, seltene und epische Items eröffnen dem Spieler dabei immer wieder neue spielerische Möglichkeiten, die wiederum zu besseren Belohnungen führen. Die Story-Kampagne von Anno 1800 erzählt dabei eine interessantere Geschichte als dies noch im direkten Vorgänger (Anno 2205) der Fall war. Zudem kann der Spieler in Anno 1800 deutlich mehr Zwischensequenzen bewundern, als noch im Serienvorgänger. Die Aufgaben innerhalb der Kampagne gestalten sich durchaus abwechslungsreich und fügen sich nahtlos in das Endlosspiel ein. Die in Rede stehenden Quests bringen dem Spieler quasi "en passant" die wichtigsten Spielelemente bei. Zudem gibt es in Anno 1800 vielfältige Möglichkeiten, um mit seinen KI-Kontrahenten zu interagieren (Questgeber, Allianzen, Handelsverträge). Zudem ist auch der Ankauf von Inselanteilen möglich. Im Endeffekt ist sogar die extrem kostspielige komplette Übernahme des in Rede stehenden Eilands möglich. Die Übernahme hat dabei die gleiche Folge (Zerstörung aller Gebäude) wie eine gewaltsame militärische Eroberung. Eine vollständige friedliche Übernahme gehört hingegen nicht zum Portfolio von Anno 1800. Generell gilt, dass die KI von Anno 1800 taktisch geschickt und nachvollziehbar agiert. Im Rahmen unseres ausführlichen Tests sind uns keine relevanten Fehler aufgefallen. Dies ist für ein Spiel mit derartiger Komplexität eine herausragende Leistung. Dabei expandieren die KI-Kontrahenten bereits auf der zweiten Stufe sehr aggressiv und sichern sich damit frühzeitig den Zugang zu allen wichtigen Rohstoffen. Dabei setzen Handelsverträge und die Besiedlung neuer Inseln ein differenziertes Handelsnetz aus diversen Schiffsrouten voraus. Dies gilt vor allem deshalb, weil jede Insel über unterschiedliche Fruchtbarkeiten und Rohstoffvorkommen verfügt. Zudem können etwa Rum und Kaffee nur in der "Neuen Welt" produziert werden. Die in Rede stehenden Genussmittel werden dabei von den Ingenieuren und Investoren der "Alten Welt" nachgefragt. Die "Neue Welt" erfordert in Anno 1800 fast genau soviel Aufmerksamkeit wie die klassische "Alte Welt". Auch wenn es in den südamerikanischen Kolonien nur zwei Zivilisationsstufen (Jornaleros und Obreras) gibt, so warten dennoch reichlich Quests auf den Spieler. Darüber hinaus drohen wie in der "Alten Welt" Produktionsengpässe oder Überfälle von Piraten sowie lästigen KI-Konkurrenten. In der Folge wechselt der Spieler ständig zwischen den Regionen im Sinne eines spielerischen "Multitaskings". Die wohl größte Stärke von Anno 1800 ist der Umstand, dass auch bei zunehmender Spieldauer noch interessante neue Spielinhalte auf den Spieler warten. Dies ist insbesondere im Gegensatz zu Anno 2205 ein erkennbarer Fortschritt. Im Serienvorgänger hatte der Spieler nach 25 Stunden Spielzeit alle Spielelemente freigeschaltet. In Anno 1800 gibt es auch nach rund 50 Stunden an Spielzeit in der lebendigen Inselwelt noch Neues zu entdecken. Als besonders motivierend sind darüber hinaus die neuen Spielelemente Zoo und Museum zu erwähnen. Ab der dritten Zvilisationsstufe (Handwerker) erhält der Spieler Zugriff auf diese Spielelemente. Sowohl ihr Zoologischer Garten als auch das Städtische Museum sind dabei mit Tieren und Ausstellungsgegenständen nahezu endlos erweiterbar. Die in Rede stehenden Items muss sich der Spieler erst über "Expeditionen", Quests oder Ausstellungen verdienen. Das "Endgame" von Anno 1800 wird so zur größten Stärke des neuesten Serienteils. In Sachen Langzeitmotivation setzt sich Anno 1800 daher locker an die Spitze des kompletten Aufbaugenres. Eine besondere Leistung von Anno 1800 ist der Umstand, dass es dem neuesten Serienteil gelingt, den historischen Meilenstein der "Industriellen Revolution" angemessen umzusetzen. Dabei sind nach der Inbetriebnahme des ersten Kraftwerkes die Straßen der Spielewelt urplötzlich von Stromleitungen überspannt und aus den allgegenwärtigen Pferdekarren sind zwischenzeitlich wie von Geisterhand ausgewachsene LKWs geworden. Das "Endgame" von Anno 1800 bietet besondere Herausforderungen. Unter anderem wartet auf den Spieler die Errrichtung der Weltausstellung in der eigenen Hauptstadt. Die in Rede stehende Weltausstellung ist mit dem Kaiserdom beziehungsweise der Sultansmoschee in Anno 1404 zu vergleichen. Die Weltausstellung ist ein Monumentalbau und kostet folglich Unmengen an Ressourcen und muss zudem in mehreren Phasen errichtet werden, Die Weltausstellung kann dabei in in drei unterschiedlichen Ausstellungsvarianten verwirklicht werden. Den horrenden Kosten steht dabei eine nachhaltige Steigerung der Inselattraktivität sowie eine zusätzliche Belohnung durch den Erhalt besonders mächtiger Gegenstände gegenüber. Als nettes Detail am Rande kann der Umstand gelten, dass die spieleigene Zeitung durch den Spieler "lektoriert" werden kann. Die in Rede stehende Gazette berichtet (wahrheitsgenmäß) aus der Spielwelt. Für den Spieler bietet es sich an, negative Meldungen durch positive Berichterstattung zu ersetzen. Diese Form der Zensur kostet den Spieler dabei wertvolle Einflusspunkte. Die Reaktionen auf diese Vorgehensweise sorgen je nach Charakter ihrer virtuellen Konkurrenten für Empörung bis Zustimmung. Nach allem Lob für Anno 1800 sollen hier auch einige Kritikpunkte genannt werden. So ist nach hier vertretener Auffassung die Frequenz der Krankheitsausbrüche auf der Hauptinsel zu hoch. Trotz einer Vielzahl an Kliniken wechselten sich die Meldungen von Infektion und Heilung im Sekundentakt ab (möglicherweise Bug). Zudem ist das Kampfsystem von Anno 1800 grundsätzlich verbesserungswürdig. So werden auch im neuesten Serienteil nur Seeschlachten simuliert. Anfangs machen die taktischen Seeschlachten mit bis zu acht unterschiedlichen Kampfschiffen durchaus Spaß. So muss der Spieler bei Segelschiffen die jeweilige Windrichtung im Auge behalten und feindliche Fregatten am Heck attackieren, so dass diese ihrerseits keine Breitseiten abfeuern können. Allerdings ist auch ein Angriff auf das gegnerische Kontor mit Fregatten, Linienschiffen und Kanonenbooten möglich. Die militärische Eroberung feindlicher Inseln erfolgt dabei mit dem Angriff der eigenen Flotte gegen die Hafenanlagen des entsprechenden KI-Konkurrenten. Auf Seite der Verteidiger lohnt es sich daher, den eigenen Hafen mit diversen Abwehrkanonen auszurüsten. Auch die Anzahl der Hafenanlagen ist in einem solchen Fall relevant. Somit hat ein derartiges Vorgehen in Anno 1800 folgerichtig nur geringe Erfolgsaussichten. Für den unwahrscheinlichen Fall einer erfolgreichen Invasion kann der Spieler die feindliche Insel als Kolonie übernehmen (konstantes Einkommen) oder sie komplett besetzen. Letzteres hat den Abriss aller bestehenden Gebäude zur Folge und wirkt naturgemäß wenig realistisch. Im Ergebnis sind die Kriege in Anno 1800 zumindest in der Schlussphase einer Partie reine Materialschlachten. Wie schon in den Serienvorgängern wirkt der Militärpart auch in Anno 1800 etwas aufgesetzt und somit wenig glaubwürdig. Die entsprechenden Spielelemente nerven mit fortschreitender Spielzeit mehr, als dass sie wirklich Spaß machen. Leider ist die schwache Storyline in der Kampagne von Anno 1800 meilenweit von der hervorragenden Hintergrundgeschichte der diesbezüglichen Referenz Anno 1404 entfernt. Demgegenüber endet die Story-Kampagne in Anno 1800 nach etwa 15 Stunden an Spielzeit abrupt und lässt viele Fragen ungeklärt. Zudem lässt sich die Story-Kampagne bereits auf der dritten Zivilisationsstufe (Handwerker) abschließen. Das "Endgame" von Anno 1800 wird somit in der Kampagne des neuesten Serienteils nicht simuliert. Wo in Anno 1404 der Bau des "Kaiserdoms" das krönende Finale des damaligen Story-Modus darstellte, klafft in Anno 1800 hinsichtlich des "Endgames" eine große Lücke. Hier verschenkt der neueste Serienteil viel dramaturgisches Potenzial. Zudem kollidieren die Kampagnenelemente im Story-Modus immer wieder mit Bestandteilen des zugrundeliegenden Endlosspiels. So zwingen die teilweise aggressiven KI-Gegner den Spieler zu schneller Expansion. In der Folge ist die Kampagne in der Anfangsphase zu schwierig, nur um im zweiten Drittel der Storyline folgerichtig viel zu einfach zu sein. Auch der Diplomartiepart von Anno 1800 weist Defizite auf. So können Kriege aufgrund der horrenden Forderungen der KI-Gegner so gut wie nicht auf diplomatischem Wege beendet werden. Wünschenswert wären insoweit mehr diplomatische Optionen, um angespannte bilaterale Beziehungen wieder zu entspannen und zu verbessern. Leider verlangen die KI-Gegner selbst bei aussichtsloser militärischer Lage noch Unsummen (550.000 Münzen) für die Ratifizierung eines solchen Friedensvertrages. Während Serienveteranen mit diesen Umständen noch zurecht kommen sollten, empfiehlt es sich für Einsteiger bei der Konfiguration ihres Endlosspiels zunächst eher friedliebende Konkurrenz zu wählen. Ansonsten muss der Spieler insbesondere mit ständigen Angriffen auf seine Handelskonvois rechnen.         

Der Multiplayer-Modus:

anno1800screenshot006Anno 1800 bietet dem Spieler ein unterhaltsames Komplettpaket aus Kampagne, Endlosspiel und Multiplayer. Neben der Solospieler-Kampagne und dem klassischen Endlosspiel bietet Anno1800 folglich auch einen umfangreich konfigurierbaren Multiplayer-Modus für bis zu vier Spieler. Dabei ermöglichen sechs unterschiedliche Siegbedingungen (Bevölkerungsanzahl, Bau von Monumenten etc.) sowohl kurze Partien als auch epische Aufbauszenarien. Zudem ist die einfache Spielersuche via Uplay ebenso lobend zu erwähnen, wie die komfortable Speicherfunktion. Insbesondere dedizierte Spionagevorhaben sowie einen kooperativen Aufbaupart haben wir in unserem Online-Test vermisst. Im Ergebnis bietet der Multiplayer-Modus von Anno 1800 keinerlei spielerische Besonderheiten gegenüber dem Endlosspiel im Singleplayer-Modus.

Fazit und Gesamtwertung:

Anno 1800 begeistert vor allem Serieneinsteiger mit seiner verbesserten Zugänglichkeit und der bahnbrechenden Optik. Auf der anderen Seite motiviert das komplexe Gameplay von Anno 1800 selbst Serienveteranen dank beeindruckender Spieltiefe über hunderte von Stunden. Zudem bietet Anno 1800 nicht zuletzt dank der im Zufallsgenerator erzeugten komplexen Inselwelten einen immensen Wiederspielwert. Dabei sind viele Neuheiten (Einfluss, Eisenbahnen, Zoo, Museum, Weltaustellung) seitens der Entwickler nahtlos in die Spielmechanik integriert worden. In Sachen Grafik, Atmosphäre und Spieltiefe setzt Anno 1800 dabei neue Maßstäbe. Lediglich die zu kurze und zudem abrupt endende Kampagne rund um Intrigen innerhalb einer Händlerfamilie kann nicht überzeugen. Serientypisch ist leider auch das Militärsystem nicht vollständig ausbalanciert.

 

Spielspaßwertung: 88 %

 

Releasedatum: 26.02.2019

 

Minimale Systemvoraussetzungen:

  • Windows 7 SP1, Windows 8.1, Windows 10 (nur 64 Bit)
  • Prozessor: Intel Core i5-3470 oder AMD FX-6350
  • Grafikkarte: GeForce GTX 670 oder AMD R9 285
  • Speicher: mindestens 8 GB RAM
  • Festplatte: 80 GB